furthermore...     Interkulturelles Lernen
     
 
 4. Theoretischer Rahmen zur produktions- und handlungsorientierter Vorgehensweise
  Ziel des produktions- und handlungsorientierten Literaturunterrichts ist, dass die SchülerInnen sich nicht nur lesend-analysierend mit Texten auseinandersetzen. Vielmehr sollen sie selber tätig werden. Produktions- und handlungsorientierte Verfahren fördern das analoge Denken im Gegensatz zum analytischen Denken. Der Text wird nicht nur begrifflich-abstrahierend erforscht, sondern ikonisch-abbildhaft (vgl. Spinner : 177). Handlungsorientiert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die SchülerInnen weitgehend selbstständig arbeiten und ganzheitliche Erfahrungen machen durch die Verknüpfung von kognitiven, affektiven und sinnlichen Lernerfahrungen. Zu den gängigen handlungsorientierten Verfahren gehören das Standbild und die szenische Interpretation. Die SchülerInnen nehmen dabei den Text nicht nur auf, sondern agieren und handeln. Der Begriff produktionsorientiert verweist auf einen weiteren Aspekt. Die SchülerInnen sollen selber schreibend und literarisch tätig werden, also ein eigenes Produkt erstellen (vgl. Bogdal / Korte : 245). Dabei gibt es zunächst ein handelndes Reagieren auf den Text und ein anschließendes produktives Agieren (vgl. Haas, S. 44). Typische Produkte der produktionsorientierten Verfahren sind eigene Texte der Schüler, wie Erweiterungen des Ursprungtexts, das Schreiben von Tagebucheinträgen oder Briefen der Figuren. Die Verfahren unterscheiden sich unter anderem durch eine stärkere Festlegung durch den Lehrer in produktionsorientierten Verfahren (vgl. Haas : 43). Beide Verfahren haben große gemeinsame Schnittmengen und können terminologisch nicht sauber getrennt werden. Daher habe ich in vorangegangenen Abschnitten der Arbeit den kompositorischen Begriff produktions- und handlungsorientiert verwendet und berufe mich hierbei sowohl auf die von Waldmann als auch von Haas vorgestellten Verfahren. Bei der Beschreibung bestimmter Verfahren in der Anwendung auf die ausgewählten literarischen Vorlagen wird im Einzelnen kurz auf die produktiven und handlungsorientierten Bestandteile eingegangen.
Die Literaturdidaktik geht davon aus, dass durch eigenes Tun intensivere Lernprozesse ermöglicht werden als durch rein analytische Verfahren. Gerade nicht-analytische Zugangsweisen zu Texten werden für Interpretations- und Verstehensprozesse genutzt. Voraussetzung hierfür ist die Kreativität und Vorstellungskraft der SchülerInnen. Die Fähigkeit der SchülerInnen zu Imagination, der Fähigkeit zur Perspektivübernahme und dem Fremdverstehen sowie eine sensibilisierte Wahrnehmung soll durch diese Verfahren geschult werden. Sich in andere Menschen und ihre Lage zu versetzen, ist Empathiefähigkeit. Empathie ist Grundlage für professionelles Handeln in interkulturellen (Konflikt-)Situationen und eine Schlüsselkompetenz der interkulturellen Kompetenz. Mittlerweile ist der Begriff produktionsorientiert auch in den Curricularen Skizzen für das Fach Deutsch/Kommunikation, bzw. Deutsch zu finden .
Es zeigt sich bereits in der verwendeten Begrifflichkeit, dass die Funktion von produktions- und handlungsorientierten Verfahren vieles gemeinsam hat mit den Bestandteilen der interkulturellen Kompetenz. Sowohl das literaturdidaktische Verfahren, als auch die Beschreibung der interkulturellen Kompetenz referiert auf die Formulierungen Wechsel von Perspektiven, Empathiefähigkeit, Offenheit und ähnlichen Termini.
Die häufig herangetragene Kritik an produktions- und handlungsorientierten Verfahren, dass sie zum Selbstzweck werden und nicht zum Verstehen von Literatur eingesetzt werden, kann in diesem Fall ausgeschlossen werden. Denn Ziel der Verfahren in diesem Zusammenhang bleibt es, interkulturelle Kompetenz durch sie positiv zu stimulieren. Ein zweiter Vorwurf ist, dass literarische Texte völlig subjektiviert werden. Der eigentliche Textsinn löst sich in subjektive Projektionen auf (vgl. Bogdal / Korte : 256). Gerade die subjektive Verarbeitung von literarischen Texten kann einen Einfluss auf interkulturelles Lernen nehmen. Das Auseinandersetzen mit dem Fremden kann nur in individuellen Prozessen geschehen und bedarf der Subjektivität. Eigene Einstellungen, Erfahrungen und Vorurteile sollen reflektiert und überprüft werden.
Zudem schließen produktions- und handlungsorientierte Verfahren die analytische Vorgehensweise nicht aus. Waldmann verweist hierfür auf sein Phasenmodell für den Literaturunterricht. Er regt ein Wechselspiel von analytischen und produktiven Verfahren an. Sein Phasenmodell besteht aus vier, (bzw. inklusive einer Vorphase aus fünf) Phasen. Die erste Phase ist das Lesen und Aufnehmen eines literarischen Textes gefolgt von einer konkretisierenden subjektiven Aneignung. Es folgen die textuelle Erarbeitung und eine textüberschreitende Auseinandersetzung mit dem literarischen Text (Waldmann : 28). Für jede dieser Phasen schlägt er unterschiedliche produktive (und handlungsorientierte ) Verfahren vor. Die nachfolgend im Text benannten Verfahren sind Teil der dritten oder vierten Phase.