furthermore...     Interkulturelles Lernen
     
 
 2.1 Besondere Lernbedingungen im Klassenzimmer. Multikulturalität und Mehrsprachigkeit als besondere Lernchance
 Die sprachliche und kulturelle Diversifizierung bedeutet für die Schule eine Herausforderung und besondere Lernchance. Daher sollten diese Vielfalt und Unterschiedlichkeit bewusst und geplant in den unterrichtlichen Alltag einfließen. Insbesondere die Auswahl von literarischen Texten nach inhaltlichen Aspekten verlangt diese Berücksichtigung zur Förderung der interkulturellen Kompetenz.
Ausgehend von meinem bedarfsdeckenden Unterricht hatte ich den Vorteil eine Klasse zu unterrichten, in der zwei muslimische Türkinnen, zwei Polinnen und eine Niederländerin teilnahmen. Auch andere Klassen im Bereich Erziehung und Soziales hatten einen ähnlichen Anteil von Nicht-Muttersprachlern, bzw. SchülerInnen mit Deutsch als Zweitsprache. Es gilt also zu überlegen, wie diese besonderen Lernchancen bei der Textarbeit mit berücksichtig werden können, um interkulturelle Erfahrungen, andere Perspektiven und Weltsichten zu nutzen.
Das Unterrichtsfach Deutsch hat in der Regel die deutsche Sprache in Wort und Schrift zum Unterrichtsgegenstand. Daher findet eine Berücksichtigung dieser mehrsprachigen Bedingungen aus verschiedenen Gründen kaum statt. Einerseits steht eine traditionelle Auffassung von Deutschunterricht - nicht nur an allgemeinbildenden Schulen, sondern auch im Berufskolleg - der Nutzung im Wege. Auf der anderen Seite ist nicht klar, wie alle kulturellen Einflüsse der Lerngemeinschaft sinnvoll und angemessen berücksichtigt werden können. Wilkens und Neumann stellen in diesem Zusammenhang folgendes fest:
"Dabei kann es einerseits dazu kommen, dass diese Vielfalt in der Unterrichtsarbeit überhaupt keine Berücksichtigung findet, ja z. T. gar nicht wahrgenommen wird, und zwar auch aus dem positiven Bestreben der Lehrkräfte heraus, alle Schülerinnen und Schüler gerecht zu behandeln; dies wird dann als gleich behandeln ausgelegt, ohne den Gesamtzusammenhang und die Folgen für die einzelnen Schülerinnen und Schüler hinreichen zu reflektieren." (Wilkens / Neumann : 82).
Zusätzlich besteht die Gefahr, dass durch unsensible Berücksichtigung eine Ethnisierung oder Kulturalisierung stattfindet und die SchülerInnen genötigt werden, kulturelle Stereotype festzulegen, die es zu hinterfragen gilt. Eine typische Äußerung seitens der SchülerInnen zu Beginn der Unterrichtsreihe aus meinem Unterricht war zum Beispiel: "Wie ist das denn bei euch in der Türkei?" In der Regel wird eine Beantwortung der Frage eine Überforderung darstellen, für eine ganze Kultur sprechen zu müssen, oder es wird auf Stereotype und Vorurteile zurückgegriffen. Vor diesem Hintergrund gilt es zu überlegen, welche Chancen produktions- und handlungsorientierter Unterricht bietet, so dass die sprachliche Vielfalt als Ressource herangezogen werden kann.
Der Deutschunterricht thematisiert das Interkulturelle nicht nur durch eine bestimmte Textauswahl, sondern nutzt die Chancen einer sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in das Klassenzimmer hineingetragen wird. Gerade soziale und affektive Lernprozesse werden durch gezielte Auseinandersetzung von ausländischen und deutschen SchülerInnen in Gang gesetzt, ofern die mehrkulturelle Zusammensetzung in der Klasse von den SchülerInnen nicht als Belastung empfunden wird.
Trotz der oben genannten Schwierigkeiten erachte ich es für bedeutend, verschiedene kulturelle Erfahrungen und Sprachen sowohl bei der Textauswahl als auch bei der Besprechung von Texten zu berücksichtigen.